„Es wird eine Renaissance der Regionalbörsen geben.“ Diese ungewöhnliche Überzeugung begründete mir Jörg Flechtner in einem interessanten Gespräch. Flechtner weiß wovon er spricht. Denn er ist einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern der Portfolio Control GmbH, eines der führenden Multi Family Offices und Kapitalmarkthäuser im Alpenraum. Portfolio Control managt die Steuerung und das Controlling von Vermögen und Verbindlichkeiten für Unternehmer, mittelständische Unternehmen, Stiftungen, professionelle Sportverbände/-vereine und vermögende Privatkunden. Das umfasst Assetanalyse, Corporate Finance Advisory mit Optimierung von Haftungs- und Finanzierungsstrukturen inklusive der gesamten Wertschöpfungskette bis zu einer Kapitalmarktplatzierung. Dafür hat die Gesellschaft die Zulassung an der Münchner Börse und ist Emissionsexperte für das dortige Mittelstandssegment m:access.
Flechtner sieht auch die Wiener Börse als gute Regionalbörse. Und er begründete mir seinen Regionalbörsen-Optimismus so: „Die Globalisierung generiert einen Gegentrend: die Regionalisierung. Die erleben und leben wir ja täglich in diversen Bereichen, etwa beim Einkaufen von „regionalen“ Lebensmitteln. Und eine solche Regionalisierungsentwicklung werden wir auch am Kapitalmarkt sehen.“
Beispiel Börse München: Die könne, so Flechtner, „Arrangeur für die Region von der Region und in der Region“ für die speziellen Kapitalmarkterfordernisse von „kleinen“ Unternehmen sein. Außerdem: Seit längerem gibt es ja die Fantasie, einen speziellen Börsenplatz für KMU aus dem Alpenraum SüdD-A-CH-Südtirol zu schaffen. München wäre ein guter Standort, um sie als eine solche Börse für den Alpenraum zu nützen, meint Flechtner. Um KMU-IPO-Transaktionen und Mittelstandsbonds mit „regionaler Affinität" zu arrangieren. Wobei diese Affinität sowohl die Emissionskandidaten, als auch Emissionsbegleiter und Investoren umfasst. Dazu kommt, dass das aktuelle Niedrigstzinsniveau mittelständische Mergers & Akquisitions attraktiv mache. Da gebe es immer Interessenten und man könne Transaktionen rasch umsetzen.
Wobei Regionalbörse-sein kein Selbstläufer ist. „Es braucht schon eine gefestigte Basis für eine Emission“, weiß Flechtner aus der Praxis. Die großen Emissionshäuser/-banken haben einen hohen Fixkostenblock, weshalb kleinere Emissionen für die großen Häuser nicht sonderlich attraktiv sind. Deshalb beschäftigen sich Marktteilnehmer, wie z.B. die Portfolio Control, mit der Begleitung derartiger Unternehmen. Auf der anderen Seite birgt dies allerdings das Problem, dass diese Marktteilnehmer keinen solchen Platzierungsapparat wie z.B. Großbanken hinter sich haben.
Gerade hier zeige sich die Stärke einer regionalen Börse, die ihre Marktteilnehmer i.d.R. gut kennt und mit speziell dafür geschaffenen Zeichnungsplattformen die Platzierung erleichtert. Die Zukunft, so Flechtner, wird wahrscheinlich auch für Regionalbörsen in der verstärkten Nutzung digitaler Plattformen liegen. Dort gebe es viel Nachfragepotenzial und Aufmerksamkeit.